Sikhismus
Die Sikh-Religion ist eine im 15. Jahrhundert entstandene monotheistische Religion, die auf den Wanderprediger Guru Nanak zurückgeht. Die im Punjab (Nord-Indien) begründete Reformbewegung – im deutschen Sprachraum auch als Sikhismus bezeichnet – hat heute rund 23 Millionen Anhänger, wovon die Mehrzahl in Indien lebt.
Die Sikh-Religion betont die Einheit der Schöpfung und verehrt einen gestaltlosen Schöpfergott, der weder Mann noch Frau ist. Weitere wesentliche Merkmale sind die Abkehr von „Aberglauben“ und traditionellen religiösen Riten sowie die Ablehnung sozialer Hierarchien. Obwohl das Kastensystem den Alltag der Sikhs durchdringt, weil es im indischen Alltag übermächtig ist, wird es abgelehnt. In der religiösen Praxis gibt es verschiedene formale Vorgaben zum Beispiel bezüglich Kleidung, Namensgebung und Auftreten.
Die Sikh-Religion orientiert sich nicht an der Einhaltung religiöser Dogmen, sondern hat das Ziel, religiöse Weisheit für den Alltag nutzbar zu machen. Guru Nanak sowie seine neun nachfolgenden Gurus (religiöse Vorbilder) unterstreichen in ihren Einsichten, die schriftlich in dem Werk Guru Granth Sahib Ji überliefert sind, ihr Verständnis, über vorhandene Religionen hinauszugehen, und distanzieren sich inhaltlich von den dominierenden religiösen Traditionen ihres Zeitalters, darunter Buddhismus, Hinduismus und Islam
Praktizierende Sikhs, vor allem männliche Religionsanhänger, erkennt man an einem kunstvoll gebundenen Turban (Dastar). Die Kopfbedeckung samt ungeschnittenem Haar – eine Tradition, die zu Zeiten der Gurus fortschreitend an Bedeutung gewann – drückt entsprechend dem Selbstverständnis der Sikhs Weltzugewandtheit, Nobilität und Respekt vor der Schöpfung aus. Der Turban darf zu jeder Zeit und an jedem Ort getragen werden. Im Alter zwischen 12 und 16 Jahren bekommen die Jungen in der dastar bandi Zeremonie, welche im Gurdwara stattfindet, ihren ersten Turban überreicht Manche Sikh-Frauen, besonders in England, tragen ebenfalls einen Dastar. Fast alle Sikhs tragen als Zeichen der Gemeinschaft einen Armreif.
Sikhs tragen in der Regel gleichlautende Nachnamen. Als Ausdruck von Geschwisterlichkeit tragen Sikh-Männer den gemeinsamen Nachnamen Singh (Löwe), Frauen heißen mit Nachnamen Kaur (Prinzessin; grammatikalisch richtig: Prinz). Die Namensgebung wurde von Guru Gobind Singh im 17. Jahrhundert eingeführt.
Die Verwendung der gleichen Namen soll einen Kontrapunkt zu der in Indien verbreiteten sozialen Hierarchisierung darstellen, die sich in den Nachnamen zeigt. Dennoch verwenden manche Sikhs noch einen Nachnamen, zum Beispiel den ihrer Vorfahren oder ihres Herkunftsortes; zuweilen stellen sie ihren Beruf vor den Namen oder verwenden als getaufte Sikhs den Zunamen Khalsa. Männliche Sikhs werden mit Sardar oder dem eher ländlichen Bhaiji oder Bhai Sahib („Bruder“) angesprochen, weibliche mit Sardarni, Bibiji („Frau“) oder Bhainji („Schwester“).
Im Gegensatz zum Hinduismus akzeptieren Sikhs die Wichtigkeit materieller Bedürfnisse und deren Befriedigung. Sie lehnen die Askese entschieden ab. Vielmehr gilt ehrliche Arbeit als ein Weg zur Erlösung. Brüderlichkeit, auch mit Nichtgläubigen, gehört zu den Grundsätzen des Sikhismus, weshalb der Ertrag ihrer Arbeit auch mit anderen geteilt werden soll.
„Nur der allein, Oh Nanak, kennt den Weg, der arbeitet im Schweiße seines Angesichts und dann teilt mit all den anderen.“ (Guru Granth, S. 1245)
Persönlicher Reichtum ist für das geistliche Leben eines Sikhs dennoch kein Hindernis. Lehrer der Religion predigen ihren Anhängern, dass sie ein normales Leben führen sollen, was für Sikhs ebenso das Erlangen von Reichtum beinhalten kann. Neben dem Streben nach Wohlstand steht die Sikh-Religion auch dem Streben nach Ansehen nicht im Weg, es wird sogar gesagt:
„Ein Sikh muss anderen ein Beispiel geben; er soll ein besserer Bauer, ein besserer Geschäftsmann und ein besserer Beamter sein.“ (Gobind Singh Mansukhani: Introduction to Sikhism)