Adiwasi, Parsen, Dalits
Adivasi (wörtl.: erster Bewohner, Ureinwohner) ist die Selbstbezeichnung der indigenen Bevölkerung im Gebiet des heutigen Indien. Das Wort Adivasi bedeutet „erste Menschen“ bzw. „erste Siedler“. Adivasi werden auch als tribals („Stammesvölker“) bezeichnet, insofern sie traditionell in Kleingesellschaften organisiert leben. Ihr Anteil an der indischen Bevölkerung beträgt ca. 7 % (etwa 68.400.000 in 1991). Der im Jahr 2000 aus dem Bundesstaat Bihar ausgegliederte Bundesstaat Jharkhand beherbergt heute die größte Bevölkerungsgruppe der Adivasi. Die Adivasi sind keine homogene Bevölkerungsgruppe, sondern fühlen sich bestimmten Gesellschaften (tribes = „Stämme“) zugehörig. Die größten Völker sind die Koli und Bhil im Westen, die Gond, Dongria Kondh ,Savara, Gadaba in Zentralindien, Dafla, Naga, Khasi, Garo im Nordosten, Oraon, Munda, Ho, Santal im Osten und die Chenchu, Sholega, Toda, Kota, Irula, Kurumba und Kadar im Süden Indiens. Die in den Dörfern lebenden Adivasi teilen eine Tradition, die von der starken Verbindung zur Natur und zum eigenen Land, einer ganzheitlichen und das gesamte Leben durchdringenden Religion, traditionellen Tänzen, Musik und Festen in der Dorfgemeinschaft getragen wird.
Die meisten Adivasigemeinschaften sind nach wie vor in Feldbau, Viehhaltung und Handwerk tätig und dies meist nur zur eigenen Versorgung. 25 verschiedene Gruppen mit etwa 1,3 Millionen Adivasi werden als Jäger und Sammler eingestuft, obgleich sie nicht ausschließlich von dieser Wirtschaftsform leben. Das eigene und oft gemeinschaftlich bewirtschaftete Land bildet daher für die Adivasigemeinschaften die historische Existenzgrundlage. Zusammen mit den unberührbaren Kasten (Dalits) gehören die Adivasi zu den ärmsten Menschen in Indien. Ca. 10 Millionen Adivasi leben in städtischen Slums, ca. 90 % unter der Armutsgrenze. Als Nicht-Hindus werden sie neben den Dalits in der indischen Gesellschaft trotz gegenteiliger Gesetze nach wie vor als Ausgestoßene benachteiligt.
Die Verwendung des Begriffs Adivasi wurde von den Schöpfern der indischen Verfassung ausdrücklich verworfen, da er den Eindruck vermittelt, die Tribals seien länger ansässig als die Kasten-Hindus. Stattdessen verwendet man seitdem offiziell den Begriff scheduled tribes, deren Sonderstatus im 5. Verfassungsanhang geregelt wird. Im Government of India Act 1935 hatte man sie als backward tribes bezeichnetDie Parsen sind eine ursprünglich aus Persien (dem heutigen Iran) stammende Ethnie die der Lehre des Zoroastrismus folgt und als streng abgeschlossene Gemeinschaft lebt. Die meisten Parsen gibt es in Indien und Pakistan. Die iranischen Anhänger des Gottes Ahura Mazda bezeichnen sich gemeinhin als Zoroastrier.
Einer Legende nach stammten die Parsen ursprünglich aus Chorasan im Iranischen Hochland, von wo sie nach dem Niedergang des Sassanidenreichs und der darauf folgenden Islamisierung Großpersiens im 8. Jahrhundert nach Indien flohen. Überlieferungen zufolge wurden die indischen Ostküstenorte Sandshan und Naosari von den Parsen gegründet, die diese nach den Städten Sanjan bei Merw in Turkmenistan und Sari im iranischen Mazandaran in ihrem Ursprungsland benannten. Es gibt eine nur schwer zu schätzende Zahl von Parsen; oft werden Zahlen von 90.000 Menschen angegeben. Einem Artikel von 2003 zufolge beträgt die Zahl der Parsen (Zarathustrier) weltweit 200.000. Aus Indien sind nach dem Abzug der Engländer (1947) viele Parsen ausgewandert. Laut Volkszählung lebten im Jahre 2001 in Indien, vor allem in Mumbai, 69.601 Parsen. Diese Toleranz genießende, recht weltoffene und meist wohlhabende Gemeinschaft ist aufgrund ihres karitativen Einsatzes recht geschätzt, schrumpft jedoch seit Jahren aufgrund geringer Kinderzahl und der Tatsache, dass man als Parse nur geboren werden kann – die Parsen lassen keine Konvertiten zu und nahmen bis vor Kurzem auch keine Kinder aus Mischehen auf. In Nordamerika leben geschätzte 18.000 bis 25.000 Parsen. Daneben gibt es eine weltweite Diaspora, die jedoch vergleichsweise klein ist. Im Westen sind die Parsen auch wegen ihrer Bestattungsbauwerke, der Dakhmahs, bekannt.
Dalit ist die heute gängige Bezeichnung der Nachfahren der indischen Ureinwohner, die nach der religiös-dogmatischen Unterscheidung im Hinduismus zwischen rituell „reinen“ und „unreinen“ Gesellschaftsgruppen als „Unberührbare“ aus dem Kastensystem der kriegerischen indoarischen Einwanderer bzw. Eroberer bis heute oft ausgeschlossen sind. Die Problematik um die Gruppe der Dalits ordnet sich in einem größeren Zusammenhang in die politischen Diskurse in Südasien um „Arier“ und „Draviden“ ein. Der im Westen oftmals gebrauchte Begriff „Kastenlose“ ist unpräzise, da die Unberührbaren durchaus einer Kaste (Jati) angehören, wenn auch keiner Varna In der westlichen Welt, insbesondere im deutschen Sprachraum, werden sie teilweise auch als Paria bezeichnet.
Gandhi nannte sie Harijan (im Westen ungenau als „Kinder Gottes“ übersetzt, eigentlich: „Vishnu-Geborene“). Diese Bezeichnung wurde von den Dalits immer abgelehnt, da sie nicht als schützenswerte Kinder, sondern als gleichberechtigte Menschen gesehen werden wollen.
Der Begriff „Dalit“ wird übersetzt mit „zerbrochen“, „zerrissen“, „zerdrückt“, „vertrieben“, „niedergetreten“, „zerstört“ und „der Zur-Schau-Gestellte“. Erstmals wurde dieser von Jyothirao Phule, dem Vater der indischen Sozialrevolution, im späten 19. Jahrhundert verwendet. Er hatte sich auf Sanskritschriften bezogen, um ein Wort zu finden, das die unterpriviligierten Teile der Gesellschaft, die Opfer des Kastensystems, angemessen beschreibt.